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Nazis sind nur der Anfang

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Rechtsextremismus als Rammbock für Internet-Regulierung?

Sperrungsverfügungen für alle »nicht zulässigen Inhalte« angedacht



Stand: 30. Januar 2003
Text von Alvar Freude

Immer wieder wurde die Vermutung geäußert, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus von der Bezirksregierung Düsseldorf nur als Vorwand genutzt wird, um ein umfangreiches Internet-Filtersystem zu etablieren. Wir haben nun die Beweise: Nicht nur Jugendschützer und Regulierungsbehörden erschließen sich neue Aufgabenfelder, auch viele private Interessengruppen stehen in den Startlöchern, um Missliebige, im Ausland publizierte Inhalte in Deutschland ausblenden zu lassen. Werden bald 6 000 oder gar 50 000 ausländische Websites gesperrt?

»Die Internet-Entwicklung gibt ihm [dem Internet-Nutzer] unweigerlich die Kontrolle darüber, welche Informationen und Inhalte ihn wann und wie erreichen. Das neue Medium ist nicht mehr auf Vermittler wie Verlage, Sender, Zeitungen oder die Musikindustrie angewiesen. Im Internet wird eine 'Massenkommunikation' von Individuum zu Individuum möglich. Auf diese Entwicklung hin zur Nutzerkontrolle sind wir bisher nicht vorbereitet.
Wir müssen neue Regulierungsmechanismen entwickeln.«

Dr. Marcel Machill, Jens Waltermann: Verantwortung im Internet, Selbstregulierung und Jugendschutz, Seite 9f.; Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2000

Nordrhein-Westfalens Internet-Zugangs-Anbieter (Access-Provider) wurden 2001 von der Düsseldorfer Bezirksregierung »gebeten« die folgenden Webseiten aus den USA zu sperren, also die Durchleitung der Daten zu unterbinden:

  1. Rotten.com
    Homepage, die geschmacklose und satirische Bilder sammelt. Von Schneemännern in Penis-Form, überfahrenen Osterhasen bis zu (vermeintlich) kinderessenden Asiaten und verstümmelten Leichenteilen ist alles dabei.
  2. Homepage vom Nazi-Lauck
    Der US-Bürger Lauck eignet sich wunderbar als Anschauungsobjekt dafür, wie sehr rassistisches Gedankengut das Gehirn zerfrisst. Die Bezirksregierung stuft seine Homepage als »Verteildrehscheibe insbesondere auch für die deutsche rechtsextreme Szene« ein, der Verfassungsschutz sieht das aber anders:

    »Der Einfluss von Lauck auf die bundesdeutsche Neonazi-Szene ist aufgrund seiner äußerst aggressiven nationalsozialistischen Grundhaltung eher marginal.«

    Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2001, Seite 104

  3. Stormfront
    Die zweifellos rechtsextreme Website des US-amerikanischen Ku-Klux-Klan-Anhängers Don Black. Auch hier spricht die Bezirksregierung Düsseldorf von einer »Verteilerdrehscheibe auch für die deutsche rechtsextremistische Szene«. In den aktuellen Jahresberichten des Verfassungsschutzes im Bund und in NRW werden weder Stormfront noch Don Black erwähnt ...
  4. Front 14
    Provider der rechtsextremen Szene, der schon vor der Ankündigung der Bezirksregierung in der Versenkung verschwunden ist.

Um einige einflussreichere und gefährlichere rechtsextremistische Websites – der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Burkhard Schröder hat eine umfangreiche Liste zusammengestellt – scheint sich die Bezirksregierung dagegen nicht zu kümmern. Statt aktiv etwas gegen den Rechtsextremismus auf der Strasse zu unternehmen, werden Aktionen mit geringem Nutzwert gestartet.

Prozesstaktik

Nichtsdestotrotz verkauft sie ihre Sperrungsverfügungen als Kampf gegen den Rechtsextremismus, weswegen Rotten.com bald herausgenommen wurde. Regierungspräsident Jürgen Büssow erklärt dies mit prozesstaktischen Gründen – der Rechtsextremismus eignet sich offensichtlich besser als Rammbock zur prinzipiellen Durchsetzung einer nationalen Regulierung des internationalen Mediums Internet nach Saudi-Arabischem Muster:

»Also, Rotten.com haben wir mal rausgenommen hier. Weil, einfach der Klarheit wegen und der Prozessführungsfrage wegen. Ich glaube schon, dass wir Rotten.com auch hier sperren können. Das was da angeboten wird hier die Grenzen hier der Menschenwürde und der Persönlichkeitsverletzung auch hier im Sinne der Verfassung weit übersteigt. Das hat ja nichts damit zu tun, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen oder dem Schrecken des Krieges hier, wie mir in Chats gesagt wird, dass wir sowas nicht sehen wollten. Wenn Sie dieses eine Bild auch mal gesehen haben, wo ein Mensch, offensichtlich asiatischer Herkunft, den Schenkel hier eines Babies hier verspeist. Was das hier mit Wahrheitsliebe oder mit Pressefreiheit zu tun hat, also da muss ich sagen, das weiß ich nicht. Das hat auch mit Moralrigorismus nichts zu tun. Sondern das ist einfach eine Verletzung hier, eine ganz schwere Verletzung – in meinen Augen – der Menschenwürde. Und ich glaube da würde mich auch jedes Gericht Recht geben.
Aber das lasse ich alles mal draussen vor, sondern will mich einfach mal konzentrieren auf die drei Provider, die nur, eigentlich nur diese Sachen aus Amerika rüberbringen, also diesen naziextremistischen Teil, mit den Beispielen, die ich eben genannt habe.«

Regierungspräsident Jürgen Büssow; bei der Arbeitskreissitzung am 19. Dezember 2001

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Interessanterweise handelt es sich bei den angesprochenen Bildern um Aktions- und Konzeptkunst des chinesischen Künstlers Zhu Yu, die Anfang Januar 2003 auch im britischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und dort kräftig zündelte. Aber es ist ja so einfach, erstmal alles nur oberflächlich zu betrachten. Ist Regierungspräsident Jürgen Büssow also auch nur ein 08/15-User ohne Interesse an Medienkompetenz? ...

Zwei Nazi-Seiten sind nur der Versuchsballon

Ein internes Gutachten der Bezirksregierung, das ODEM vorliegt, spricht schon von weiteren Angeboten, die nach dem MdStV »unzulässig« seien, darunter Gewalt- und Kriegsverherrlichendes sowie Pornographie. Auf ihrem Beschwerdeformular sammelt die Behörde zudem Seiten mit »fehlender Anbieterkennzeichnung (Verbraucherschutz)«.

Nachdem Rotten nun also aus taktischen Gründen erstmals verschont bleibt und Front14 schon lange in der Versenkung verschwunden ist, bleiben nun noch zwei nach Verfassungsschutz-Angaben relativ unbedeutende Nazi-Websites (siehe oben) übrig. Letztendlich sind diese aber, wie die Bezirksregierung zugibt, nur ein Vorwand, um weitere Sperrungen einfacher durchsetzen zu können:

»Wenn ich das Milchtrinken verbieten will, muss ich erst mal ein oder zwei Flaschen beschlagnahmen.«

Jürgen Riesenbeck, Vizepräsident Bezirksregierung Düsseldorf; zitiert nach: Torsten Kleinz, Nerds in der Sonne; in: Telepolis, Magazin der Netzkultur

Gegenüber dpa sprach Büssow davon, »dass bis zu 6000 Internet- Angebote für eine Sperrung in Frage kämen«. Bei dem von der Bezirksregierung initiierten »internationalen Kongress Hass und Gewalt im Internet« bestätigte er gegenüber ODEM explizit, dass für eine Sperrung nicht nur rechtsextreme Webseiten in Frage kommen. Seine Behörde werde sich zwar nur um strafrechtlich relevante Inhalte kümmern, wenn aber ein flächendeckendes Filtersystem installiert sei, kämen auch andere Bereiche wie Urheberrecht, Markenrecht und Persönlichkeitsrecht in Frage. Dafür seien dann aber andere zuständig.

Deutliche Zahlen bringt Büssow im November 2002 ins Gespräch: eine Zahl von 50 000 zu sperrenden Sites schrecke ihn nicht, im Gegenteil:

Sprecher: »Zwei Seiten hat die Bezirksregierung sperren lassen. Analysen gehen von bis zu 50 000 ähnlich problematischen Seiten aus – will man die alle sperren?«

Jürgen Büssow: »Die Zahl soll mich auch nicht abschrecken dadurch dass wir, ich sage mal, 150 000 Einbrüche haben und nur 20 000 oder 50 000 aufklären, bleibt ja Einbruch weiter ein Strafdelikt und wird verfolgt.«

Jörg Tauss: »Er führt letztendlich die Öffentlichkeit in die Irre, indem er vorgaukelt, dass man das Problem tatsächlich auf diese Art und Weise lösen könnte. Ich halte das für eine reine Symbolik, für reine Scheinargumentation. Wir sollten uns in der Politik zu schade sein, der Bevölkerung zu sagen, wir hätten für ein nicht lösbares Problem eine einfache Lösung. Allein dieses halte ich für fahrlässig.«

Sprecher: »Hass und Gewalt sind ein Bestandteil unserer Realität. Das Internet spiegelt diese Realität. Gegen die Urheber von kriminellen Inhalten im Netz muss vorgegangen werden. Die Ursachen von Hass und Gewalt bekämpft man jedoch mit Sicherheit nicht durch den Einsatz von Filtern im Internet.«

Jürgen Büssow, Regierungspräsident Bezirksregierung Düsseldorf und Jörg Tauss, Beauftragter für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion; in einem Interview mit 3sat Kulturzeit, ausgestrahlt am 14. November 2002

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Empfänger der Sperrungsverfügungen sind dabei nicht die Urheber der »nicht zulässigen« Inhalte oder diejenigen, auf deren Geräten die Inhalte lagern, sondern die Transporteure, also die Postboten. Und im Zweifelsfall werden diese den Weg des geringsten Widerstandes gehen, anstatt für andere ein hohes Risiko einzugehen.

Jugendschutz

Am 1. April 2003 soll der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft treten. Bei der Landesanstalt für Medien NRW freut man sich schon auf neue Aufgaben:

»Auch nach dem 01. April 2003 werden Anbieter solcher Dinge schwer zu identifizieren und zu verfolgen sein.

Meines Erachtens ist damit die Zeit gekommen, in der gewisse Grundsatzdiskussionen in den Hintergrund treten sollten. Wir sollten nach vorn schauen und uns um praktische Fragen der Vollziehung kümmern, Gestaltungsspielräume finden und nutzen und uns bereit für den großen Praxistest machen.

Debatten darüber, ob auch in Bezug auf solche Angebote nicht die Meinungsfreiheit höher zu bewerten ist, oder, ob diese Angebote nicht einen wesentlichen Beitrag zur politischen Meinungsbildung leisten können oder gar für den pädagogischen Prozess unerlässlich sind, sollten in diesem Zusammenhang nicht mehr geführt werden müssen.

[...]

Wir können und müssen uns natürlich weiter über Möglichkeiten und Grenzen der Aufsicht im Internet unterhalten, dies aber bitte nicht unter der Überschrift des 'Ob', sondern des 'Wie' der Optimierung.

Die Landesmedienanstalten werden von Zeit zu Zeit, auch zuletzt noch in Bezug auf den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, mit Papiertigern verglichen. Ich wünsche den Landesmedienanstalten und allen am Prozess des Schutzes der Jugend und der Menschenwürde Beteiligten gar nicht die Natur eines Tigers. Mir schweben da zum Vergleich andere Tiere vor, die Ameisen:
Sie sind viele, sie sind zu komplexer Zusammenarbeit fähig, verfolgen unbeirrbar ihre Ziele und – sie können verdammt lästig sein.

Doris Brocker, Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen; bei einem Workshop am 31. Oktober 2002 in Düsseldorf

Für die Landesmedienanstalten besteht also kein Diskussionsbedarf mehr: eine regionale Beschränkung des bisher weltweiten Kommunikationsnetzes Internet ist eine ausgemachte Sache – dass dies dem Wesen des Internets widerspricht braucht nicht weiter betont zu werden. Nur noch die technischen Methoden sollen diskutiert werden, die Landesmedienanstalten wollen »verdammt lästig« werden. Ob dies auf den Wunsch nach dem Erhalt der eigenen Arbeitsplätze, zur Erreichung vermeintlich hehrer Ziele oder auf den Einfluß großer Medienkonzerne zurückzuführen ist, läßt sich schwer sagen.

Immerhin »wird [...] erstmals die Kategorie der geschlossenen Gruppe erwachsener Nutzer im Internet rechtlich eingeführt und ein gewisser Vorrang ihrer Bedürfnisse akzeptiert.« – Danke. Spätestens da wird es doch interessant, wie man sich »unzulässigen« und »jugendgefährdenden« Inhalten gegenüber verhält, denen kein von einer deutschen Autorität abgesegnetes Alters-Verifikations-System vorgeschaltet ist. Prognose: Erst werden die »Killerspiele«, dann Sex-Sites aus Übersee gesperrt. Vielleicht umgekehrt. Ok, jugendschutz.net ist dabei, also vielleicht doch eher die Pornos.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sieht es ähnlich: »Ich erwarte, dass die Kommission für Jugendmedienschutz Sperrungsverfügungen an die Provider erlässt« sagte er laut einem dpa-Bericht im Januar 2003 dem Nachrichtenmagazin Focus. Und weiter: »Die Zugangsanbieter fürs Internet müssen dann illegale Angebote herausfiltern.« Beck hat das Verfahren zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag federführend betreut ... (zum Focus-Bericht)

Private Sperrungsverfügungen

Doch nicht nur staatliche Stellen interessieren sich dafür, den freien Informationsfluss unter ihre Kontrolle zu bringen und unliebsame Inhalte wegzufiltern. Viele private Interessengruppen stehen schon lange in den Startlöchern, um in Deutschland Inhalte auszublenden, die anderswo legal sind. Ein paar Beispiele:

  • Scientology
    Schon lange ist Scientology die Website Operation Clambake des Norwegers Andreas Heldal-Lund ein Dorn im Auge, schließlich wird dort kritisch über die Psycho-Sekte berichtet. Im Frühjahr 2002 zwang die Sekte nun die Suchmaschine Google, das Auffinden von Operation Clambake zu unterbinden, da dort angeblich Urheberrechtsverletzungen stattfinden würden. Tatsächlich geht Scientology schon lange gegen Kritiker mit Hilfe des Urheberrechts vor. Auf Anfrage von ODEM bestätigte die Sprecherin von Scientology Deutschland, dass sie ein Filtersystem zum Sperren von solchen Inhalten begrüßen würden. Letztendlich müsse aber die Zentrale in den USA entscheiden – und die hat ihr Verhaltensmuster ja schon bei Google gezeigt ...
  • Die Musikindustrie
    Im Gespräch mit ODEM erklärte Dr. Thorsten Braun, Syndikus der Deutschen Landesgruppe der IFPI e.V. (Verband der Musikindustrie), dass sie »sehr aufmerksam« die Sperrverfügungen in NRW verfolgen und die weitere Entwicklung abwarten. Zur »Rechtsdurchsetzung« sei das System sehr interessant.
    Schon 1999 hatte die IFPI ein »Rights Protection System« (RPS) vorgestellt (siehe Telepolis: Nationales Internet), mit dem ausländische Webseiten blockiert werden sollten, entwickelt. Nicht verwunderlich ist da, dass Braun sich Sperr-Anforderungen bzw. die Übermittlung von zu sperrenden URLs »durchaus vorstellen« kann. Ebenso hält er eine »Filterung für wünschenswert«, die direkt beim Provider bestimmte Dateien bei Filesharing-Diensten blockiert.
  • Keule Markenrecht oder: Alle Kinder gehören Ferrero
    So manches Unternehmen mißbraucht das Markenrecht als Keule gegen vermeintliche Konkurrenten. Der Süßwarenhersteller Ferrero versucht besonders rabiat das Wort »Kinder« zu monopolisieren. So wurde der Firma GABA untersagt, eine Zahnbürste unter dem Namen »aronal öko-dent Kinder« zu vertreiben. Ferrero Österreich versuchte die Domain kinder.at freizuklagen, scheiterte aber letztendlich am hartnäckigen Wiederstand des Domaininhabers. Das Vorgehen gegen Fan-Websites der Tauschbörse Gnutella hatte dagegen mehr Erfolg.
    Auf Anfrage von ODEM bestätigte die Pressesprecherin von Ferrero, Steiner, dass sie sich vorstellen könnte, gegen »markenverletzende« Webseiten ausländischer Betreiber, die rechtlich nicht greifbar sind, in Deutschland Sperrungsverfügungen zu erwirken ... (mehr in insert_coin: Die digitale Schere im Kopf)
  • Geschäftsschädigende Inhalte?
    Die Deutsche Bahn AG machte im April 2002 von sich Schlagzeilen, weil sie den niederländischen Provider XS4ALL dazu zwang, Teile der linksradikalen Zeitschrift Radikal von ihren Servern zu löschen. Auch Suchmaschinen wurden angewiesen, Kopien (»Mirror«) der Seiten im Netz nicht mehr zu finden.
    Im Gespräch mit ODEM begründete Christian Schreyer, Justiziar der Bahn, die Sperrungen u.a. damit, dass die Seiten die wirtschaftlichen Interessen der Bahn schädigen würden. Schreyer sieht die Aktion als ein »Kampf gegen Krakenarme« und findet den Einsatz eines Filtersystems auf Providerseite »sehr verlockend«: Der Zugriff auf alle Webseiten, auf denen die Artikel kopiert werden, sollte dann blockiert werden.
    Im Februar 2003 machte die Bahn wieder Schlagzeilen: Sie mahnte ein Netzkunst-Projekt der ODEM-Gründer Alvar Freude und Dragan Espenschied ab und verlangte, einen angeblichen Link zu einer Kopie der Radikal-Seiten zu entfernen – ohne zu verstehen, was da wirklich passierte. Mehr siehe Bahn & Blaster.
  • Persönlichkeitsrecht
    Der bekannte Prominenten-Anwalt Prof. Matthias Prinz brachte beim Rechtspolitischen Kongress 2002 der Friedrich Ebert Stiftung die Sperrung ausländischer Webseiten ins Spiel, um bei Bedarf ausländische Websites, die das Persönlichkeitsrecht von Prominenten verletzen, in Deutschland auszublenden. Dazu heisst es im Kongress-Bericht:

    »Zusätzlich zu seinen Thesen zeigte [Prinz] zwei Ansätze auf, wie man gegen diejenigen vorgehen kann, die Persönlichkeitsrechte im Internet verletzen:
    Zum einen könne man den Verletzer belangen, dafür muss er für die deutsche Justiz aber auch greifbar sein.
    Zum anderen müsse man Filter einbauen, um Rechtsverletzungen im Internet zu verhindern, wie beispielsweise eine Freiwillige Selbstkontrolle der Internet-Anbieter.
    'Wenn man nicht an die Quelle kommt, muss man im Flusslauf filtern – oder ihn sperren', resümierte der Arbeitsgruppenleiter Ludwig Stiegler.«

    Aus dem Bericht der Arbeitsgruppe Medien und Internet beim Rechtspolitischen Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung 2002.

    In der Schweiz wurde bereits eine erste entsprechende Sperrungsverfügung erlassen: Innerhalb von fünf Tagen sollten die eidgenössischen Zugangs-Anbieter den Datenverkehr zu einer Website auf einem US-Server blockieren, auf der ein Schweizer über »Justizverbrechen in der Schweiz« schreibt. Interessanterweise wohnt der Autor offensichtlich in der Schweiz und liegt also im Zugriff der Justizbehörden, trotzdem soll die Seite gesperrt werden.
    Da die inkriminierte Website beim Massenhoster Geocities liegt und derzeit i.d.R. keine gezielte Sperrung einzelner Seiten, sondern nur des gesamten Servers möglich ist (via DNS-Manipulation oder Blockade im Router), werden bei einer Sperrung eine Unmenge unschuldiger Webseiten mitgesperrt: alleine Google findet über vier Millionen einzelne Seiten auf dem Geocities-Server, mit Homepages angefangen bei der Kindergruppe Wien-West, über die Homepage von Verona, Rezepten aus Mexiko, der Internet Piano Page oder einem Glossar mit Abkürzungen aus der Computerwelt. Da ist selbst das Schießen mit Kanonen auf Spatzen noch effizient und verursacht weniger »Kollateralschäden« ...

Allein diese Beispiele lassen erahnen, was auf uns zukommt, wenn bei den Internet-Zugangs-Anbietern ein automatisiertes und vernetztes Sperrsystem installiert ist und eine Interessengruppe nach der anderen Sperrungen fordert. Wenn der jetzige Widerstand einzelner idealistischer Provider gegen die Sperrung zweier rechtsextremistischer Websites erstmal gebrochen ist, wird sich kaum einer mehr gegen einzelne Sperrungen widersetzen – schließlich sind es sowieso nur fremde Inhalte, also was soll's?

Wie das in der Praxis läuft, zeigt sich am Beispiel der Suchmaschine Google: Regelmäßig werden Webseiten aus dem Such-Index geworfen, die angeblich gegen das Urheberrecht verstoßen. Dabei geht es meist nur darum, einen Konkurrenten loszuwerden. Details im Artikel Google protestiert – und löscht bei intern.de. Die Konsequenzen, die ein providerseitiges Zwangs-Filter-System hätte, lassen sich einfach ausmalen ...

Regierungspräsident Büssow verdächtigt hingegen die Internet-Nutzer, die sich gegen seine Sperrungen aussprechen, entweder des Nazi-Sympathisantentums oder der Raubkopiererei:

»[...] Und ich habe auch ein bißchen den Eindruck gewonnen, dass eben weil nicht die ganze Internetgemeinde rechtsradikal ist, sondern diesen Teil von Freiheit fürchtet, eben frei an alle Softwareangebote und so weiter hier ranzukommen und durchaus hier eine Auseinandersetzung hier stattfindet, die eigentlich auch noch einen ökonomischen Hintergrund hat, die wo das nur vorgespiegelt ist hier, das Thema was wir hier haben, und hinter diesem Thema noch ganz andere Fragen eine Rolle mitspielen. Da kann ich mir vorstellen, dass also, dass in der Tat auf der zivilrechtlichen Seite noch ganz spannende Sachen hat, die aber nicht mein Ding sind, aber die dahinter noch sozusagen backstage noch virulent sind.«

Regierungspräsident Jürgen Büssow; bei der Arbeitskreissitzung am 19. Dezember 2001

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Herr Büssow sollte mit seinen Vermutungen doch ein wenig vorsichtiger umgehen. Dieser Text entsteht zum Beispiel auf einem Rechner mit einem freien Betriebssystem mit freier und gekaufter kommerzieller Software, während im CD-Spieler eine original Musik-CD läuft. Und im Schrank steht Original-Software im Wert eines deutlich dreistelligen Euro-Betrages. Nicht immer passt alles ins Klischee ...

Die Zukunft des Internets entscheidet sich jetzt!

»Sie können davon ausgehen, dass solche Sperrverfügungen flächendeckend kommen, wenn die Verwaltungsgerichte entsprechend entscheiden.«

Jürgen Riesenbeck, Vizepräsident Bezirksregierung Düsseldorf; bei der Demonstration am 6. April 2002 in Düsseldorf

In den nächsten Jahren wird sich die weitere Entwicklung des Internets entscheiden. Wollen wir ein homogenes, von großen Medienkonzernen und Start-Ups beherrschtes Netz, oder ein freies Kommunikationsnetz, in dem weltweit nichtkommerzielle Projekte, private Kommunikation, Online-Shopping, alternative Nachrichten und etablierte Medienkonzerne nebeneinander existieren? Wenn wir jetzt auf ein national oder gar regional reguliertes Internet zurückfallen, anstatt eine weltweite Kommunikation zu dulden, dann platzen alle Hoffnungen des Informationszeitalters wie bereits die dot.com-Blase.

Letztendlich handelt es sich um eine gesellschaftspolitische Frage, nicht um eine juristische, denn:

Wir Internet-Nutzer wollen auch weiterhin die Kontrolle darüber haben, welche Informationen und Inhalte uns wann und wie erreichen!

 

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Jürgen Büssow versteht das Internet nicht?
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Sonstige Infos:
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur)

Links und Recht(s)
Oberlandesgericht Stuttgart erlaubt Links bei Diskussion über Rechtsextremismus. Details zum Verfahren und Informationen zum Ausgang

Berufsverbot wegen Zensur-Kritik?
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ODEM liegen eine Reihe von Dokumenten und Audio-Aufzeichnungen vor, die so manche Behauptung in neuem Licht erscheinen lassen ...

Materialsammlung zu Sperrverfügungen
Anlässlich einer "Internationalen Konferenz zu Hass und Gewalt im Internet" der Bezirksregierung Düsseldorf, hat die Arbeitsgemeinschaft DAVID einige Informationen und Materialien zusammengestellt.

Unterschriftenliste als PDF
Zum Offline-Sammeln von Unterschriften gibt es nun auch ein PDF mit einem vorgefertigten Formular. Unterstützen Sie uns und sammeln im Freundeskreis Unterschriften gegen Internet-Zensur!

Die Internet-Zensoren ignorieren geltendes Recht
Deutschlands Vorreiter in Punkto Internet-Zensur, die Bezirksregierung Düsseldorf, verweigert gesetzlich garantierten Zugang zu amtlichen Dokumenten