English Startseite | Erklärung | Kontakt und Initiatoren | Unterzeichner
O-Ton | Materialien | Banner | Presse | ODEM.org

*

Internet-Grundlagen: Note 5

Zurück zur Übersicht

Die Medienwächter vom Rhein verstehen das Internet nicht

Stand: 29. Januar 2003
Text von Alvar Freude

Von einer Regulierungs-Behörde erwartet jeder vernünftige Mensch, dass sich die Beamten mit dem Regulierungs-Gegenstand auskennen. Die Bezirksregierung Düsseldorf zeigt in Fragen des Internets eine erschreckende Unkenntnis trivialster Zusammenhänge – sowohl was die Technik als auch die sozio-kulturelle Identität des Netzes angeht. Filter-Fan und Regierungspräsident Jürgen Büssow blamiert sich besonders gern.

Dabei ist das alles gar nicht mal schwer, die Sendung mit der Maus erklärt das Internet leicht verständlich und korrekt. Das Ganze gibt es auf den Download-Seiten der Maus auch als wirklich (!) sehenswerten Film.

Ist es denn wirklich so kompliziert? Da gibt es ein weltweites Konglomerat aus miteinander mehr oder minder verbundenen Computern, und jeder Computer kann mit jedem an das Netz angeschlossenen Geräten reden (wenn nicht gerade ein Herr Büssow vorbeikommt). Eben wie beim Telefonnetz (siehe auch Jakob Nielsen), nur (in der Zwischenzeit) ein bisschen bunter, und mit einem Anzeigegerät, das an einen Fernseher erinnert.

Aber es wird noch komplizierter! Denn es gibt da den Urheber von irgendwelchen Inhalten, den Content-Provider. Das ist der, der einen Text geschrieben oder ein Bild gezeichnet hat. (Oder dieses irgendwoher zusammenklaute, aber das interessiert uns in diesem Fall erstmal nicht.) Und es gibt denjenigen, der dem Urheber Speicherplatz auf einem Computer im Netz vermietet. Man nennt ihn auch Service-Provider. Und letztendlich gibt es da noch denjenigen, der hilft, den eigenen Computer an das große Netz von vielen Millionen Computern anzuschließen, damit die Kiste sich mit den anderen unterhalten kann. So wie eine Telefongesellschaft einen an das Telefonnetz anschließt. Diesen Internet-Zugangs-Anbieter nennt man auch Access-Provider.

Regierungspräsident Büssow hat die Zusammenhänge zwischen eigenen und fremden, durchgeleiteten Inhalten noch nicht so genau durchschaut. Er spricht häufig davon, dass »große Provider« mit ihm zusammenarbeiten und Seiten sperren würden – nur diejenigen, die er meint, die sperren nichts:

»Es hat übrigens aber auf Dauer was mit der Akzeptanz übrigens des Netzes auch zu tun. Dass wir nicht klaglos sowas hinnehmen, sondern dass wir auf das was im Netz sich hier abspielt auch reagieren. Und das müsste eigentlich auch, muss ich sagen, im wohlverdienten Interesse oder im eigenen Interesse eigentlich auch der Internet-Wirtschaft sein, der Providerwirtschaft. Viele von Access-Providern, ich kann ja auch nicht alles sagen, sagen zu uns, sie arbeiten mit uns zusammen. Das mal Ihnen hier als Verbandsmenschen zugerufen, die mit uns zusammenarbeiten. Die, sobald wir inkriminierte Seiten haben, die Seiten auch runternehmen. Sie bitten nur darum, dass wir das nicht öffentlich machen. Ja. Das ist so. Ganz grosse, renommierte Access-Provider arbeiten auf diese Weise mit uns zusammen. Weil sie die Zusammenarbeit mit uns hier, die Zusammenarbeit mit uns ist nicht so problematisch. Sondern problematisch sind die Inhalte, wenn die Inhalte mit bekannten Namen eben in der Providerwelt bekannt werden. Wenn es also heisst, bei AOL hier braucht man, das rechtsextremistische Material holt man sich bei AOL runter; dann ist das natürlich hier auch nicht gerade geschäftsfördernd, wenn ein so grosser, renommierter Provider mit diesen Inhalten in Verbindung gebracht wird. Also werden die Hinweise, die wir geben, die werden aufgenommen und es wird versucht hier diese Seiten hier zu sperren. Deswegen verstehe ich auch zum Teil diese Aufregung nicht, die wir bei grossen Providern haben, die sich von diesen Seiten dann eben versuchen zu trennen, wenn es irgendwo möglich geht. Und warum wir das alles hinnehmen sollen.«

Jürgen Büssow, Präsident der Bezirksregierung Düsseldorf; bei der Anhörungsveranstaltung am 13. November 2001

Originalton: (Hilfe, Anmerkungen)
#MP3, mittlere Qualität (422 kB)
#OGG, kleine Datei (196 kB)
#OGG, gute Qualität (685 kB)

Und weiter:

»Ich möchte nur denen, die mir sagen, dass es technisch alles nicht möglich ist, und diejenigen Wortbeiträge, die ein bisschen sperrig sind hier heute, dass ich auch eine andere Erfahrung habe mit grossen Providern, die sehr kooperativ mit uns zusammengearbeitet haben. Und die auch die Seiten, wenn wir sie ihnen genannt haben, sie direkt gesperrt haben. [TUMULT!] Ja, okay, ja da ist doch gut. Danke.«

Jürgen Büssow, Präsident der Bezirksregierung Düsseldorf; bei der Anhörungsveranstaltung am 13. November 2001

Originalton: (Hilfe, Anmerkungen)
#MP3, mittlere Qualität (143 kB)
#OGG, kleine Datei (72 kB)
#OGG, gute Qualität (244 kB)

Offensichtlich ist da AOL gemeint. Dabei hat die Vertreterin von AOL bereits zuvor erläutert, dass AOL keine fremden Inhalte sperrt:

»Sie sagten eben, wenn Sie jetzt irgendwie etwas Rechtsradikales auf AOL-Seiten finden werden... Werden Sie nicht, und wenn Sie etwas finden, sagen Sie bitte Bescheid und der Inhalt fliegt runter. Es ist Inhalt, den wir selber hosten würden, das heisst, wir haben natürlich auch absolut einfach die Möglichkeit, den Zugang zu diesem Inhalt auf unserem Server zu sperren, kein Problem. Das Zweite was wir machen als AOL, als Familienunternehmen, ist: Wir möchten dass die Kinder online gehen. Wir möchten gleichzeitig aber auch, dass die Kinder und Jugendlichen kein gefährdendes Material sehen. Das heisst wir geben den Eltern die Möglichkeit zu sagen: Okay, wir wollen dass meine Kinder folgende Bereiche im Internet nicht sehen können. Es handelt sich hierbei um Selbstregulierung, um etwas, was AOL macht als Service für die Eltern und als Familienunternehmen, worauf wir auch stolz sind.

[...]

Wir setzen deshalb auf Selbstregulierung, gerade als international operierendes Unternehmen, weil wir natürlich auch mit Rechtsordnungen der verschiedensten Länder konfrontiert sind, weil das Internet ein globales Medium ist und wir das Problem sehen, dass bei den Milliarden Anfragen an URLs, die wir jeden Tag haben, jede Stunde haben, wir keine Möglichkeit sehen, allgemein den Zugang zu bestimmten Seiten im Internet zu sperren einfach mal so. Wir sehen die Problematik. Wir sehen das Internet keinesfalls als rechtsfreien Raum, allerdings gibt es einfach das Problem, dass der Content überall auf dieser Welt gehostet werden kann.«

Melanie Büscher, Head of Public Affairs, AOL Deutschland; bei der Anhörungsveranstaltung am 13. November 2001

Originalton: (Hilfe, Anmerkungen)
#MP3, mittlere Qualität (677 kB)
#OGG, kleine Datei (296 kB)
#OGG, gute Qualität (1026 kB)

Das hinderte Büssow nicht, einen Monat später wieder die Mär aufzutischen, AOL würde sperren:

»[...] Machen Sie es wie AOL, ich hab das gehört, dass AOL also hier das familienfreundliche Unternehmen ist hier, das bei den Angeboten, das hebt doch das Rennomee, [als] wenn Sie nicht sperren.«

Regierungspräsident Jürgen Büssow; bei der Arbeitskreissitzung am 19. Dezember 2001

Originalton: (Hilfe, Anmerkungen)
#MP3, mittlere Qualität (62 kB)
#OGG, kleine Datei (30 kB)
#OGG, gute Qualität (98 kB)

Und wieder stellt die AOL-Vertreterin klar, dass AOL keine fremden Inhalte auf fremden Servern sperrt:

»[...] Was wir nicht machen, auch noch mal für die Klarstellung: wir machen keine DNS-Lösung, wo wir sagen, okay, wir sperren mal eben allgemein den Zugang zu folgender DNS oder zu folgender Internet-Adresse. Das machen wir nicht.«

Melanie Büscher, Head of Public Affairs, AOL Deutschland; bei der Arbeitskreissitzung am 19. Dezember 2001

Originalton: (Hilfe, Anmerkungen)
#MP3, mittlere Qualität (419 kB)
#OGG, kleine Datei (183 kB)
#OGG, gute Qualität (649 kB)

So langsam sollte er es verstanden haben, aber dem ist nicht so:

»[...] [Man solle versuchen, Seiten 'rauszunehmen',] dass die großen Provider, und ich hoffe die kleinen würden sich anschließen, dass die großen Provider in jedem Fall sagen so ähnlich wie es Frau Büscher gesagt, wie ungefähr so wie AOL auch hier vorgeht – nicht die Software meine ich nicht, wenn Ihnen was bekannt wird hier, was strafbewehrt ist, dass Sie das dann versuchen also dann auch zu sperren oder runterzunehmen ...

Zwischenruf durch Melanie Büscher, AOL: »Nur auf den eigenen Servern!«

»Ja ist mir schon klar ... – ... ja aber das ist ja immerhin schon was! Was heisst auf eigenen Servern? Ich meine ... [Gelächter] [...]«

Regierungspräsident Jürgen Büssow; bei der Arbeitskreissitzung am 19. Dezember 2001

Originalton: (Hilfe, Anmerkungen)
#MP3, mittlere Qualität (1061 kB)
#OGG, kleine Datei (464 kB)
#OGG, gute Qualität (1578 kB)

 

Weiter:
Defizite auch beim Wissen um die Medientheorie
Zurück zur Übersicht

 


Sonstige Infos:
Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur)

Links und Recht(s)
Oberlandesgericht Stuttgart erlaubt Links bei Diskussion über Rechtsextremismus. Details zum Verfahren und Informationen zum Ausgang

Berufsverbot wegen Zensur-Kritik?
Die Bezirksregierung Düsseldorf stellt Strafanzeige mit falschen Angaben und die Staatsanwaltschaft Stuttgart droht daraufhin mit Berufsverbot Mehr ...

Kritik an Anti-Rassismus-Preis
In einem offenen Brief kritisieren Bürgerrechtsgruppen und Internet-Initiativen, darunter ODEM.org, die Verleihung eines Anti-Rassismus-Preises an Internet-Zensor Jürgen Büssow.

Die ODEM.org-Tour
Eine Übersicht über die Projekte von ODEM.org: Was machen wir und warum? In der Tour gibt es alle Infos.

Wieviele Nazi-Seiten gibt es?
Statistik als Zufallsprodukt und Mittel zum Zweck? – eine Recherchehilfe zu den offiziellen Zahlen von Nazi-Websites. Von 1996 bis heute.

O-Töne aus der Bezirksregierung
ODEM liegen eine Reihe von Dokumenten und Audio-Aufzeichnungen vor, die so manche Behauptung in neuem Licht erscheinen lassen ...

Materialsammlung zu Sperrverfügungen
Anlässlich einer "Internationalen Konferenz zu Hass und Gewalt im Internet" der Bezirksregierung Düsseldorf, hat die Arbeitsgemeinschaft DAVID einige Informationen und Materialien zusammengestellt.

Unterschriftenliste als PDF
Zum Offline-Sammeln von Unterschriften gibt es nun auch ein PDF mit einem vorgefertigten Formular. Unterstützen Sie uns und sammeln im Freundeskreis Unterschriften gegen Internet-Zensur!

Die Internet-Zensoren ignorieren geltendes Recht
Deutschlands Vorreiter in Punkto Internet-Zensur, die Bezirksregierung Düsseldorf, verweigert gesetzlich garantierten Zugang zu amtlichen Dokumenten