>> Erklärung gegen
die Einschränkung der Informationsfreiheit
>> Gegen Internet-Zensur unterschreiben
>> Hintergrundinformationen
Stand: August 2002
Deutschlands Vorreiter in Punkto Internet-Zensur, die
Bezirksregierung Düsseldorf, verweigert Zugang zu amtlichen Dokumenten
Die Bezirksregierung Düsseldorf
weigert sich, Dokumente herauszugeben, die im Zusammenhang mit der
Verfügung gegen Internet-Zugangsanbieter
stehen. ODEM-Gründer Alvar Freude
hatte Ende Mai Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz
Nordrhein-Westfalen sind Behörden verpflichtet, auf Anfrage
den Zugang zu den bei ihnen vorhandenen Informationen zu gewährleisten,
und zwar unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats. Die
Bezirksregierung reagierte aber erst, nachdem wir nach Ablauf der
gesetzlichen Frist nachfragten. Zudem fehlt der gesetzlich vorgeschriebene
Hinweis auf das Beschwerderecht bei der Landesbeauftragten
für das Recht auf Information.
Der Antrag im Volltext sowie die Eingangsbestätigung vom 28. Mai.
Es folgt nun die (kommentierte) Antwort der Bezirksregierung, per
Post zugestellt am 2.7. 2002. Ein ausführlicherer Kommentar enthält der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid (PDF, 223 KB).
Anmerkungen:
Rechschreibfehler wurden i.d.R aus dem Bescheid übernommen,
können aber auch Tippfehler sein. Die Bezirksregierung schreibt
immer "Bezirksregierung Duesseldorf", also "ue"
statt "ü"; ein allein stehendes "Düsseldorf"
wird mit "ü" geschrieben.
Die Bezirksregierung spricht immer von IFG NW, die offizielle
Abkürzung lautet IFG NRW
Das Informationsfreiheitsgesetz NRW befindet sich unter:
http://www.lfd.nrw.de/fachbereich/fach_10_1.html
Auf Nachfrage bestätigte die Sachbearbeiterin, dass mit "ich"
Regierungspräsident Jürgen Büssow gemeint sei.
Bescheid
Sehr geehrter Herr Freude,
Ihr Antrag auf Zugang zu Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz
Nordrhein-Westfalen wird zurückgewiesen.
Dieser Bescheid ergeht gebührenfrei.
Begründung:
Per E-Mail vom 28.05.2002 beantragten Sie den Zugang zu den im
Einzelnen von Ihnen aufgelisteten Informationen und Dokumenten.
Zur BEgründung trugen Sie vor, dass ich gemäß §§
4 Abs. 1, 5, Abs. 2 Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen
(IFG NW)dazu verpflichtet sei, dem Antrag nachzukommen.
Ihr Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 2 Abs. 1 IFG NW hat jede natürliche
Person nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den in §
2 IFG NW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle
vorhandenen amtlichen Informationen.
Gegen die Bezirksregierung Duesseldorf, die eine Behörde im
Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NW darstellt, besteht ein Anspruch
auf Informationszugang zu den von Ihnen aufgelisteten Dokumenten
nach en Vorschriften des IFG NW aus folgenden Gründen nicht:
Bei dem von Ihnen unter Ziffer 1) aufgeführen Wortprotokoll
der Anhörungsveranstaltung am 13.11.2001 bzw. den Zusammenfassungen
desselben handelt es sich um Dokumente im Sinne des § 7 Abs
1. IFG NW, so dass Ihr Antrag auf Informationszugang insofern abzulehnen
ist. Die Anhörung, zu der lediglich die am Verfahren beteiligten
eingeladen wurden, fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit
statt. Den betroffenen Firmen sollte im vertraulichen Rahmen die
Möglichkeit gegeben werden, sich zu den geplanten Sperrverfügungen
zu äußern. Nur die Teilnehmer der Anhörungsveranstaltung
haben daher (gemäß den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes
NW) ein Recht auf Zugang zu diesen Informationen.
Die Bezirksregierung möchte offensichtlich nicht, dass etwas
aus der Anhörungsveranstaltung
nach aussen dringt. Auch wenn die Anhörung keine öffentliche
Veranstaltung war, so ist sie auch keine Geheimsitzung gewesen.
Das Informationsfreiheitsgesetz ist nach unserem Verständnis
dafür gemacht, um Transparenz in die öffentliche Verwaltung
zu bringen und jedem Einsicht in die normalerweise nur internen
Dokumente der Verwaltung zu gewähren. Auch das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen in Münster sieht das ähnlich: Der
Gesetzgeber habe mit dem Informationsfreiheitsgesetz das Ziel
verfolgt, Transparenz und Akzeptanz behördlichen Handelns zu erhöhen.
Außerdem sollten Mitspracherecht und Kontrollmöglichkeiten der
Bürger gestärkt werden. (Az.:
21 B 589/02)
Es handelt sich also nicht um "vertrauliche Beratungen"
nach §7 Abs. 1; zudem muss auch die Ergebnisse vertraulicher
Beratungen nach Abschluss des Verfahrens Akteneinsicht gewährt
werden (§7 Abs. 3), aber das ist ein anderes Thema.
Uns liegt die Protokollzusammenfassung bereits aus einer anderen
Quelle vor. Diese zeigt nicht nur, wie wenig Verständnis die Düsseldorfer
Zensoren von der Materie haben, sondern auch eine erschreckende
Beratungsresistenz.
Zudem: Auch die Teilnehmer der Anhörung haben keine Einsicht
in alle Unterlagen. So ist uns bekannt, dass die Änwälte
der betroffenen Provider trotz entsprechender Aufforderung vor
mehreren Monaten immer noch auf das vollständige Wortprotokoll
warten.
Bezüglich des von Ihnen unter Ziffer 2) aufgeführten Wortprotokolls
der Arbeitskreissitzung vom 19. Dezember sowie die unter Ziffer
3) angeführten Ergebnisse und Dokumente zum "Filterprojekt"
gilt, dass es sich dabei um vom Verwaltungsverfahren unabhängige
Dokumente handelt. Die Sitzung am 19.12.2002 [ja, da steht wirklich 2002!] fand zwar im Hause
der Bezirksregierung Duesseldorf, jedoch unabhängig von dem
Verfahren gegen die Access-Provider statt. Die Arbeitsgruppe hat
sich vielmehr freiwillig zusammen gefunden, um sich über technische
Verbesserungen der Sperrungen inkriminierter Seiten zu auszutauschen
und ein dahin gehendes Projekt anzusteuern. Die Ergebnisse des Treffens
am 19.12.2002 [ja, auch hier steht im Original 2002!] sowie auch etwaige Ergebnisse und Dokumente zum "Filterprojekt"
sind jedoch nicht Bestandteile des Verwaltungsverfahrens und wurden
nicht im dienstlichen Zusammenhang erlangt. Es handelt sich bei
den Dokumenten mithin nicht um Informationen i.S.d. § 3 IFG
NW, so dass ich zur Zugangsgewährung nach § 2 Abs. 1 IFG
NW nicht verpflichtet bin.
Das ist ja wohl ein Witz!
Die Bezirksregierung initiiert einen Arbeitskreis, die Mitglieder
des Arbeitskreises -- darunter die Bezirksregierung -- treffen sich
in den Räumen der Behörde, aber dieser Arbeitskreis hat
nun auf einmal nichts mehr mit der Bezirksregierung zu tun?
Und: Ganz so freiwillig scheint sich der Arbeitskreis auch nicht
zusammengefunden zu haben, wenn man den Betroffenen Glauben schenken
darf.
Wenn die Ergebnisse des Treffens "nicht im dienstlichen Zusammenhang"
erlangt wurden, in welchem dann? Waren das Privatveranstaltungen
von Jürgen Büssow? Oder eine Privatparty der Firma Bocatel
in den Räumen der Bezirksregierung?
Die Bezirksregierung versucht sich hier offensichtlich nicht nur
von jeder Verantwortung frei sprechen zu wollen, sondern auch Geheimniskrämerei
zu betreiben.
Hinsichtlich der von Ihnen unter Ziffer 4) aufgeführten juristischen
Stellungnahmen und Gutachten gilt, dass diese der Vorbereitung einer
Entscheidung im anhängenden Widerspruchverfahren dienen und
daher unter § 7 Abs. 1, 1. Alt. IFG NW fallen. Der Zugang zu
diesen Informationen muss Ihnen aus diesem Grunde verwehrt bleiben.
Dies mag zutreffen, so lange das Verfahren läuft;
danach müssen sie die Gutachten auf jeden Fall herausgeben
...
Dies heisst aber auch: Gutachten, die nicht für das Widerspruchverfahren
dienen, müssen herausgegeben werden.
Nichtsdestotrotz: die Bezirksregierung will wohl verhindern, dass
Gutachten, die ihrer Ansicht widersprechen, veröffentlicht
werden. Gäbe es nur Gutachten, die die Auffassung der Behörde
teilen, dann gäbe es keinen Grund, diese geheim zu halten.
Soweit Sie unter Ziffer 5) anführen, die Bezirksregierung
Dueseldorf plane eine Sperrung von bis zu 6.000 Internet-Seiten,
muss ich dem widersprechen. Es gibt weder eine solche Liste noch
eine solche Aussage von mir. Dem entsprechend können auch keine
dahin gehenden Dokumente zugänglich gemacht werden.
Das ist eine glatte Lüge. Jürgen Büssow
hat gegenüber
dpa gesagt, dass "bis zu 6000 Internet- Angebote für
eine Sperrung in Frage kämen", also gibt es eine entsprechende
Aussage. Auch anhand der Äußerungen
von Regierungsvizepräsident Hans-Jürgen Riesenbeck am Rande
der Demonstration in Düsseldorf
drängt sich die Vermutung auf, dass es bereits konkrete weitergehende
Pläne gibt.
Hinsichtlich der von Ihnen unter Ziffer 6) angeführten Daten
gesammelter Daten nicht zulässiger Internet-Angebote weise
ich Sie darauf hin, dass es eine Liste solcher Daten nicht gibt.
Selbst wenn es sie aber gäbe, diente sie ebenfalls der unmittelbaren
Vorbereitung der Entscheidungen über den Erlass von Verfügungen
gegen die jeweiligen Anbieter i.S.d. § 7 Abs. 1 IFG NW. Die
Informationen könnten daher wegen § 7 Abs 1 IFG NW ohnehin
nicht zugänglich gemacht werden.
Und schon wieder eine glatte Lüge. Die Bezirksregierung
sammelt
auf ihrer Homepage Daten, aber weist darauf hin, dass es diese
Daten nicht gibt?
Zudem kann bekanntermaßen gegen die jeweiligen Anbieter
keine Verfügung erlassen werden, da sie sich nicht in NRW
sondern im Ausland befinden.
Die Weigerung der Herausgabe der Daten kann nur bedeuten, dass
die Bezirksregierung Angst vor Protesten im Vorfeld hat und diese
verhindern will.
Bezüglich der von Ihnen unter Ziffer 7) und 8) erwähnten
Dokumente gilt, dass weder Absprachen bzgl. des Vorgehens der Bezirksregierung
Duesseldorf mit Bundesministerien noch mit den Ministerien oder
der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen stattgefunden haben.
Dem enstsprechend gibt es auch keine dahin gehenden Dokumente.
Dies widerspricht aber der Aussage von Vizepräsident
Riesenbeck bei der Diskussion am Rande der Demo. Sinngemäß:
"Denken Sie, wir machen das ohne Rückendeckung?"
Zudem sagte er auch, das Vorgehen sei mit den zuständigen Stellen
der anderen Länder abgesprochen und wie es üblich sei,
macht eben ein Land den Vorreiter. Diesmal ist NRW dran ...
Gleichzeitig ist in der Zwischenzeit ein neuer Mediendienstestaatsvertrag
zustande gekommen. Es wäre sehr verwunderlich, wenn in diesem
Zusammenhang keine Gespräche über die Zensur-Erfahrungen
der Bezirksregierung Düsseldorf stattgefunden hätten.
Schließlich ist die Bezirksregierung die für ganz Nordrhein-Westfalen
zuständige Aufsichtsbehörde. (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen -
Drucksache 13/2302 vom 20. Februar 2002)
Zudem liegt uns ein Protokoll vor, in dem die Bezirksregierung eine
Einbindung von Bundesministerien ankündigt.
Auch gab es keine Kommunikation mit Verbänden, Gruppierungen
und Organisationen zum genannten Thema (von Ihnen unter Ziffer 9)
angeführt) und sind auch keine Verträge, Abmachungen,
Absichtserklärungen oder Briefwechsel mit Unternehmen im Rahmen
der Entwicklung eines Filtersystems für Internet-Inhalte (bei
Ihnen Ziffer 10) zustande gekommen.
Die Behauptung, dass es keine "Kommunikation mit Verbänden,
Gruppierungen und Organisationen" sowie "auch keine Verträge,
Abmachungen, Absichtserklärungen oder Briefwechsel mit Unternehmen"
ist schon wieder eine glatte Lüge. Ein paar Beispiele, die
Liste ist nicht vollständig:
Wie Herr Büssow nun auf die Idee kommt, dass es keine Kommunikation
zu dem Thema gab, bleibt unverständlich.
Bezüglich der Beschimpfungen und Morddrohungen von Mitarbeitern
der Bezirksregierung Duesseldorf gilt, dass diese Informationen
darüber unter § 9 Abs. 1 IFW NW fallen, da es sich insoweit
um personenbezogene Daten handelt, eine Zustimmung der betroffenen
Mitarbeiter aber weder vorliegt noch erteilt werden wird.
Dies ist so nicht richtig, nach IFG § 9 Absatz 3 soll dem Antrag
stattgegeben werden, wenn die personenbezogenen Daten sich nur auf
die Namen beschränken. Darüberhinaus lassen sich im Zweifelsfall
die Namen der betroffenen Personen schwärzen (§10 Abs.
1 IFG). Die Frage ist, wo hier schutzwürdige Interessen einer
Person sein sollen, zumal Regierungspräsident Büssow ja
schon lange selbst verkündet hat, es hätte Morddrohungen
gegenüber ihm gegeben.
Die Ablehnung der Veröffenlichung der angeblichen Morddrohungen
zeigt eher, dass es diese entweder nicht gab oder die Morddrohungen
nicht ernst zu nehmen waren. Sie passten aber gut in den Rahmen:
alle Kritiker sind Neo-Nazis.
Die Gebührenentscheidung beruht auf § 11 ABs. 1 IFG NW.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe
Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder
zur Niederschrift bei der Bezirksregierung Duesseldorf, Cecilienallee
2, 40474 Düsseldorf, einzulegen.
Wird der Widerspruch schriftlich erhoben, so gilt die Frist nur
als gewahrt, wenn der Widerspruch vor Ablauf der Frist bei mir eingegangen
ist.
Sollte die Frist durch das Verschulden eines von Ihnen Bevollmächtigten
versäumt werden, so würde dessen Verschulden Ihnen zugerechnet
werden.
Hier fehlt der laut IFG vorgeschriebene Hinweis auf § 13 (2) IFG NRW:
(2) Jeder hat das Recht, die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten
für den Datenschutz als Beauftragte oder Beauftragten für
das Recht auf Information anzurufen. Das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen
gilt entsprechend.
Mit freundlichen Grüßen
i.A.
(Brüggemann)
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