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Medientheorie: Note 4

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Die Medienwächter vom Rhein haben auch mit der Medientheorie Probleme

Stand: 27. Januar 2003
Text von Alvar Freude

Nicht nur mit dem Verständnis vom Internet hat Jürgen Büssow so seine Probleme, auch bei den Geisteswissenschaften hapert es:

»[Das Internet ist] das großartigste, übrigens, Kommunikationsangebot, was die Menschheit überhaupt gefunden hat, in meinen Augen. Denn die Breschtsche Radiotheorie verwirklicht sich im Netz, dass aus Rezipienten, ääh, aus Kommunikatoren Empfänger werden, und aus Empfängern Sender. Das ist die Brechtsche Radiotheorie von 1927. Und das haben wir im Netz. Das ist eine ganz große, großartige Angelegenheit. Und ich finde auch, dass wir uns die gegenseitig nicht kaputt machen dürfen, sondern, dass sie sich in Freiheit hier weiterentwickeln kann.«

Jürgen Büssow, Präsident der Bezirksregierung Düsseldorf; bei der Anhörungsveranstaltung am 13. November 2001

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Leider hat er von Bertold Brechts Radiotheorie nur die Hälfte verstanden: Richtig ist, dass Brecht sich die Verwandlung des Rundfunks »aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat« wünschte. Das Internet bietet diese Chance – auch wenn so mancher Medienkonzern das vehement bekämpft und »neue Regulierungsmechanismen« fordert. Ebenso deutlich kritisierte Brecht aber, dass die Macher des Rundfunks, allen voran die Intendanten, das neue Medium nicht verstehen und nur Althergebrachtes eins zu eins auf den Rundfunk übertragen würden:

»Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. [...] [Da] war der Rundfunk als Stellvertreter des Theaters, der Oper, des Konzerts, der Vorträge, der Kaffeemusik, des lokalen Teils der Presse usw. Von Anfang an hat der Rundfunk nahezu alle bestehenden Institutionen, die irgend etwas mit der Verbreutung von Sprech- oder singbarem zu tun hatten, imitiert; es entstand ein unüberhörbares Durch- und Nebeneinander im Turmbau zu Babel.«

Bertold Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, Rede über die Funktion des Rundfunks (Radiotheorie), 1932; in: Bertold Brecht, Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Sechster Band; Seite 146f; Frankfurt am Main 1997: Suhrkamp Verlag

Düsseldorfs Medienregulierer Jürgen Büssow versteht Bertold Brechts Radiotheorie genausowenig wie das Internet. Offensichtlich verkörpert er genau das, was Brecht kritisiert: alternde Funktionäre, die in ihren alten Welten haften bleiben, ihre alten Vorstellungen auch auf Neues übertragen und Neues nur oberflächlich und ängstlich betrachten.

»Meiner Ansicht nach sollten Sie aus dem Radio eine wirklich demokratische Sache zu machen versuchen. [...] Sie müssen an wichtige Reichstagssitzungen und vor allem auch an große Prozesse herankommen. Da dies einen großen Fortschritt bedeuten würde, wird es sicherlich eine Reihe von Gesetzen geben, die dies zu verhindern versuchen. Sie müssen sich an die Öffentlichkeit wenden, um diese Gesetze zu beseitigen. Die Furch der Abgeordneten, im ganzen Reiche gehört zu werden, darf, da sie sehr berechtigt ist, nicht unterschätzt werden, aber sie müssen sie ebenso besiegen wie die Furcht, die, wie ich glaube, verschiedene Gerichte äußern würden, ihre Entscheidungen vor dem gesamten Volke treffen zu müssen.«

Bertold Brecht, Vorschläge für den Intendanten des Rundfunks, Dezember 1927; in: Bertold Brecht, a.a.O. Seite 56f

 

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