Offener Brief an Ursula von der Leyen

Über den falschen Weg im Kampf gegen Kinderpornographie

Alvar Freude, 20. November 2008

Auch zum Thema ...
„Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet gesetzlich verbieten“ schreiben diverse Medien; bei netzpolitik.org gibt es schon einen Kommentar. Die Verbreitung von Kinderpornographie ist ebenso wie der Besitz schon lange gesetzlich verboten, hier geht es aber eine Stufe weiter: Internet-Provider sollen (angebliche) Kinderpornographie-Webseiten filtern.

Dies ist der falsche Weg! Aus diesem Grund habe ich einen offenen Brief an Frau von der Leyen geschickt:

 

Sehr geehrte Frau Ministerin,
sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wende mich an Sie sowohl als Vorstandsmitglied des Fördervereins 
Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG) als auch als Bürger 
und Vater einer fast zweijährigen Tochter.

Sie haben sich im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet für 
Internet-Sperren ausgesprochen. Der Kampf gegen Kinderpornographie und 
gegen (sexuellen) Mißbrauch von Kindern ist eine sehr wichtige und 
notwendige Sache!

Allerdings möchte ich eindringlich davor warnen, hierbei die falschen 
Mittel anzuwenden. Denn diese schonen nicht nur die Täter, die weiterhin 
ihren abscheulichen Taten nachgehen. Die falschen Mittel sind auch sehr 
gefährlich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, da sie 
auf der einen Seite nur wie ein Placebo wirken, auf der anderen Seite 
aber sehr große Kollateralschäden anrichten.

Internet-Sperren sind im Kampf gegen Kinderpornographie der falsche Weg.

Sie verweisen auf das Beispiel Schweden und sprechen von rund tausend 
Internet-Seiten, die kinderpornographische Inhalte hätten. Die Liste der 
in den skandinavischen Ländern gesperrten Webseiten ist im Internet 
schon lange bekannt. Dadurch ist ebenso bekannt, dass die überwiegende 
Mehrzahl dieser Webseiten in den USA sowie Deutschland (!) und anderen 
Europäischen Ländern betrieben werden. In allen diesen Ländern ist 
Kinderpornographie nicht nur verboten sondern deren Verbreitung wird auch 
aktiv verfolgt. Die Täter könnten also verfolgt werden.

Anstatt also die Seiten zu sperren und die Täter unbestraft davonkommen 
zu lassen, wäre es sinnvoller und effektiver, die Täter zu verfolgen 
und zu bestrafen. Denn die Täter machen sonst einfach ruck-zuck eine 
neue Seite auf und das Spiel geht wieder von vorne los.


Internet-Sperren haben immer eine Reihe von Nachteilen: So haben sie 
Nebenwirkungen und in vielen Fällen werden vollkommen unbeteiligte 
Seiten blockiert. Eine umfangreiche Filter-Infrastruktur und Methoden, 
wie sie in China angewendet werden, könnten dieses Problem zwar ein 
wenig reduzieren. Dennoch, Internet-Sperren sind bei der Zielgruppe 
wirkungslos. Pädokriminelle wissen, wie sie die Filter umgehen können.

Wenn Sie also etwas gegen Kinderpornographie unternehmen wollen, dann 
sorgen Sie dafür, dass die Täter verfolgt werden.


Sie werden sich vielleicht fragen, warum ich Ihnen schreibe: Ich bin 
weder Produzent noch Konsument noch Besitzer von Kinderpornographie. Aber 
ich beschäftige mich bereits seit Jahren mit dem Thema 
Internet-Filter/Sperrungen/Zensur, habe selbst entsprechende 
Filter-Software programmiert und diese in wissenschaftlichen Experimenten 
eingesetzt. Die Gefahren solche Systeme sind mir daher bewusst:

  http://odem.org/insert_coin/

Diese Arbeit wurde mit dem Internationalen Medienkunstpreis 2001 
ausgezeichnet.


Ich habe mich bereits bei ähnlichen Filter-Vorschlägen umfangreich mit 
dem Thema beschäftigt und auf die Gefahren solcher Filter hingewiesen. 
Die Gefahren sind nicht abstrakt sondern real!

  http://odem.org/informationsfreiheit/


Selbstverständlich stehe ich Ihnen für Fragen zur Verfügung. 

Grüße
  Alvar C.H. Freude

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